Startseite » Blog » Presseverleger und Google – Zahlen zum Leistungsschutzrecht
Für das Thema Leistungsschutzrecht haben die TRG und Sistrix in einem Datenstamm von über 1,5 Mrd Suchergebnissen nach Zusammenhängen zwischen Google.de und Presseverlegern gesucht. Das Ergebnis zeigt: Den überwältigenden Teil seines Geschäfts realisiert Google ohne die Nutzung von Inhalten der Presseverleger.
Die Debatte um ein mögliches Leistungsschutzrecht wird in den letzten Wochen, nach dem Vorliegen der ersten Entwürfe einer konkreten Gesetzesvorlage, erneut leidenschaftlich geführt. Die Unternehmensberatung TRG – The Reach Group GmbH liefert aktuelle Daten, um allen Akteuren eine fundierte Diskussion über die Auswirkungen des Leistungsschutzrechts zu ermöglichen. Dafür wurden gemeinsam mit dem Analyse-Anbieter Sistrix GmbH Kennzahlen erhoben, die für dieses Thema Bestand haben und das Pro und Contra zum Thema Leistungsschutzrecht gewichten sowie besser messbar machen.
• 1,1% der Google Adwords-Werbung wird auf Seiten ausgespielt, auf denen Verlagsinhalte dominieren (mindestens 5 Ergebnisse von News-Publishern)
• 92,5% der Google Suchergebnisse gehören nicht zu einem News–Publisher
• Nur 8,3% der Ergebnisse auf der wichtigen Google-Ergebnisseite 1 gehören zu deutschen Nachrichtenangeboten
• Gewichtet man die Suchanfragen nach ihrer Nachfrage, ist die Summe aller 1.200+ betrachteten News–Publisher nur wenig größer als die Summe der Domain Wikipedia.org
• Bei 55,6% der getesteten Suchanfragen spielt Google Adwords-Werbung aus
• Jeder 7. News-Publisher bucht selbst bezahlte Anzeigen über Google Adwords
Leistungsschutzrechte gibt es bereits seit langem. Das Urheberrechtsgesetz regelt Ansprüche für viele unterschiedliche Werke und deren Verwendungen. Den meisten bekannt durch Institutionen wie die GEMA, welche unter anderem für Komponisten, Textdichter oder Verleger von Musikwerken die Verwertung übernimmt.
Im Jahr 2009 kam erstmals eine öffentliche Debatte über eine mögliche Erweiterung des Schutzes für Presseverleger auf. Der BDZV fordert in einer Pressemitteilung, dass Presseunternehmen sich gegen eine unentgeltliche Ausnutzung ihrer Angebote im Internet zur Wehr setzen müssten. Zwei Jahre später erwähnte Kanzlerin Merkel, dass ein Leistungsschutzrecht nicht nur Erwähnung in dem Koalitionsvertrag finde, sondern bereits in Vorbereitung sei. Ein möglicher Entwurf für die Erweiterung des Urheberrechtsgesetzes ist im Internet zu finden und soll Ministerien bereits vorliegen.
Von Verlegern – den Befürwortern eines Leistungsschutzes – wird angeführt, dass das bestehende Urheberrechtsgesetz eine Lücke habe. Besonders durch Suchmaschinen fühlten Presseverlage sich ausgebeutet, da diese und andere Aggregatoren neben Ausschnitten aus den digitalen Presseerzeugnissen auch Werbung schalten und damit Geld verdienen würden.
Gegner eines erweiterten Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse argumentieren, Presseverlage könnten sehr gut steuern, ob sie in Suchmaschinen gelistet würden oder ob diese Suchmaschinen einen Kurztext – ein sogenanntes Snippet – ihrer Inhalte anzeigen sollten. Weiterhin wird behauptet, dass Presseverlage durch ein Leistungsschutzrecht lediglich ihr nicht-funktionierendes digitales Geschäftsmodell stützen lassen möchten. Eine angeführte Informationsausdünnung durch ein Pressesterben sei ebenfalls ausgeschlossen, da es in Deutschland eine sehr hohe Redundanz der Presseerzeugnisse gäbe.
Um diese Debatte mit Zahlenmaterial auszustatten, hat die TRG – The Reach Group GmbH sich mit dem Analyse-Anbieter Sistrix GmbH zusammengetan und eine große Menge an Daten ausgewertet. Uns war es wichtig, Kennzahlen zu erheben, die für dieses Thema Bestand haben und das Pro und Contra zum Thema Leistungsschutzrecht gewichten sowie messbar machen.
Als Basis dienen über 15.000.000 der häufigsten, unterschiedlichen Suchanfragen, die Sistrix für seine Toolbox wöchentlich auf Google.de erhebt. Da wir bis zu einer Tiefe der ersten 100 Suchtreffer pro Suchphrase ausgewertet haben, ergeben sich somit mehr als 1,5 Mrd. Suchtreffer, aus denen die folgenden Zahlen gezogen wurden.
Um zu gewichten, wer in unseren Erhebungen als Presseverleger gewertet werden darf, haben wir alle Domains genommen, die im Monat Juli 2012 auf Google News Deutschland verlinkt wurden. Diese über 1.200 Domains dienen uns als plakative Gesamtheit aller Presseverleger in Deutschland. Unter diesen Google News Publishern sind auch Domains vertreten, welche nicht als typische Presseverleger gelten: Beispiele sind WordPress.com, Blogspot.com aber auch Idealo.de oder MyVideo.de. Jene Domains haben zwar Google News Einblendungen, würden aber nicht von einem Leistungsschutzrecht profitieren. Uns war aber wichtig, dass wir die Bedeutung der Presseverleger eher zu hoch als zu niedrig bemessen. Alle großen deutschen Verlage und Verlags-Seiten sind in der Liste berücksichtigt.
Zunächst wollten wir wissen, wie viele der über 1,5 Mrd. Suchtreffer zu einer Domain der über 1.200 Google News Verleger gehört. Es sind 10,6%. Umgekehrt: 89,4% aller Suchergebnisse auf Google.de gehören nicht zu einer Domain, die auch auf Google News zu finden ist.
Der Anteil an Presseverlegern in der Google.de Websuche ist also überschaubar. Reduziert werden die Verleger-Seiten zusätzlich dadurch, dass in unserer Betrachtung große Domains wie Idealo.de oder Immobilienscout24.de vertreten sind. Sie betreiben eigene Nachrichten-Angebote zu ihren Spezial-Themen. Nehmen wir fünf dieser eindeutigen Nicht-Presse-Domains aus der Betrachtung, landen alle restlichen Presseverleger nur auf 7,5% der betrachteten Suchtreffer.
Wir wollten weiter ins Detail gehen. Der größte Anteil des Traffics, der Klicks, der Vermarktung und damit auch des Umsatzes wird auf Googles Suchergebnisseite 1 gemacht. Wie sieht die Verteilung hier aus? Ähnlich: Nur 10 % der Ergebnisse auf Googles Seite 1 wird von Presseverleger-Domains belegt. Ohne die 5 größten Nicht-Presse-Domains sind es 8,3%.
Bereits 2009 haben wir erhoben, dass der Anteil von Verlags-Domains für den Google-Index lediglich einen kleinen Anteil der Ergebnisvielfalt ausmacht. Damals ging es um eine kleinere Liste Domains – wir hatten uns die Unterzeichner der „Hamburger Erklärung“ angesehen. In der aktuellen Erhebung ist die Liste deutlich gewachsen. Man kann also keinen Rückschluss ziehen, ob Verlags-Websites in den letzten 3 Jahren einen größeren Anteil an Googles Suchtreffern ausmachen als bei unserer ersten Studie.
In der Diskussion um das Leistungsschutzrecht geht es um das Geldverdienen. Bei Google heißt das Geldverdienen auf den Suchergebnisseiten Google Adwords. Suchmaschinen – im besonderen Google – wird vorgeworfen hier die Presseverleger auszubeuten. Daher wollten wir gern wissen, auf wie vielen unserer über 15.000.000 abgefragten Suchphrasen Google Adwords Werbung geschaltet wird. Und Google verkauft fleißig: Bei 55,6% der Suchphrasen wird mindestens eine Adwords Werbung ausgespielt. In fast allen Fällen auf der Suchergebnisseite 1. Bei 44,4 % der Suchphrasen in unserer Erhebung verdient Google kein Geld.
Spannend ist es natürlich die Domains der Presseverleger und das Geldverdienen von Google in einen Zusammenhang zu bringen. Auf 23,8% aller Suchphrasen wird sowohl ein Presseverleger-Inhalt als auch mindestens eine Adwords-Werbung ausgespielt. Das klingt nach überdurchschnittlich vielen Korrelationen. Jedoch auch hier: Wir haben riesige E-Commerce-Domains wie idealo.de mit zu den Presseverlegern gezählt, weil sie bei Google News als Publisher gelistet sind.
Daher wollten wir weiter ins Detail gehen. Wir haben noch einmal alle Suchphrasen durchgezählt und wollten wissen bei wie vielen Suchphrasen auf der Ergebnisseite 1 mindestens eine Adwords Werbung geschaltet wird, aber auch mindestens 5 Ergebnisse von Presseverlegern die Seiten füllen. Hier könnte man sagen, dass Google seine Werbung im Umfeld von Presseerzeugnissen positioniert. In unserer Zählung war dies bei 1,1% aller Suchphrasen der Fall.
Schlussendlich haben wir erhoben, wie wichtig die Summe aller Rankings der über 1.200 Publisher-Websites auf Google.de ist. Diese Summe haben wir nach Ranking und Suchvolumen gewichtet. Für diese Gewichtung gibt es den Sistrix-Sichtbarkeits-Index. Je höher dieser Indexwert, desto größer ist der zu erwartende Traffic, den eine Domain von Google.de bekommt. Wikipedia.org — als Domain mit dem größten Sistrix-Sichtbarkeitsindex in Deutschland — kommt auf einen Wert von knapp 8.000 Punkten. Idealo.de kommt auf gut 750 Punkte und Spiegel.de auf gut 410 Punkte. Alle Google News Publisher addiert weisen einen Wert von gut 10.300 Sistrix-Punkten auf. Zum Vergleich: Die Top-100 Domains im Sistrix-Sichtbarkeitsindex haben zusammenaddiert knapp 30.000 Sichtbarkeitspunkte. Insgesamt jedoch sind viele Millionen Domains in den 1,5 Mrd Suchtreffern der Erhebungsmenge zu finden. Auch hier scheint es nicht so, als würden Google.de-Suchtreffer zum Großteil auf Presseerzeugnissen basieren. Übrigens: Jeder 7. Presseverleger bucht selbst bezahlte Anzeigen über Google Adwords.
Ja – Google verdient Geld in Deutschland. Und davon auch deutlich mehr als Presseverleger es bisher im Internet tun. Jährlich macht Google höchstwahrscheinlich einen Milliarden-Umsatz in Deutschland und hatte in den letzten Jahren insgesamt eine aufregende Umsatzrendite von gut 25%. Der Google-Umsatz stammt zum Großteil aus dem Adwords Geschäft. Entweder auf den eigenen Suchergebnisseiten — aber auch zu einem nicht geringen Teil aus dem Google Adsense Programm, welches Websitebetreiber zum Geldverdienen auf ihren eigenen Seiten einbauen können und an den Klicks mitverdienen. Die meisten Presseverleger nutzen auch Google Adsense auf ihren eigenen Domains. Google hat ein erstaunliches Geschäftsmodell aufgebaut. Es skaliert und funktioniert momentan besser als das aufwendige Erstellen von Nachrichten, guten Inhalten und tiefgründigen Berichten. Dennoch: Google verdient wahrscheinlich den überwältigen Großteil seines Geldes in Deutschland ohne die Mithilfe deutscher Presseverleger.
Google macht mehr Umsatz bei Klicks auf Suchphrasen wie „Stromvergleich“, „Kredite“ oder „billig fliegen“ als mit typischen Presse-Wörtern wie „USA Wahlkampf“, „Olympia 2012“ oder „Euro Rettung“. Die meisten Presseverleger sind eher bei den Suchphrasen zu finden, die einen informativen Charakter haben und keinen transaktionalen. Hier werden hauptsächlich E-Commerce Anbieter gelistet.
Anders als noch vor drei Jahren wird zumindest nicht mehr darüber diskutiert, gemeinschaftlich aus Google.de auszutreten. Damals hatte man keine überzeugende Suchtreffermehrheit – es wäre für Google deutlich „schlimmer“ gewesen falls sich allein die Domain Wikipedia.org aus Google entlistet hätte. Heute wollen die Presseverleger ein Gesetz positionieren, durch welches sie entlohnt werden, wenn Suchtreffer eines Presseverlegers angezeigt werden. Fast alle Presseverleger bekommen einen zweistelligen Prozentsatz ihrer Besuche über Google.de – manche große Nachrichtenseiten sogar über 40% ihrer Besuche.
Es ist nicht einfach Zahlen zu finden, die zeigen, dass momentan eine große Ungerechtigkeit gegenüber Presseverlegern im Google.de-Index passiert. Ungerecht scheinen für Verlage zu sein, dass Google mit einem Automatismus Milliarden verdient ohne Redaktionen zu unterhalten. Aber genau hier liegen die Chancen zu lernen. Am Ende werden die Nutzer für eventuelle Subventionen durch Gesetze zahlen müssen. Und vielleicht möchten Nutzer lieber freiwillig für das Presseerzeugnis ihrer Wahl bezahlen anstatt unfreiwillig für ein Suchergebnis, dessen Reihenfolge sie nicht beeinflussen können. Momentan brauchen Sie über beides nicht nachzudenken: Fast jede deutsche Nachrichtenseite stellt ihre aktuellen Inhalte kostenlos ins Internet. Täglich frisch. Und dort sind sie für Mensch und Maschinen auffindbar.