Herausforderungen im Programmatic Buying

Der programmatische Einkauf von Werbeinventar ist nicht erst seit gestern ein Dauerthema im Online Marketing. Nahezu täglich erscheinen dazu neue Artikel, von Best Practice Beispielen, Trend Vorhersagen, Vor- und Nachteile beim RTB (Real-Time-Bidding) und vieles mehr. Doch nur selten werden wirkliche Einblicke geboten, wie Media Buyer vorgehen, beziehungsweise auf welche Probleme diese stoßen.

Durch die Etablierung des programmatischen Handels in den letzten Jahren ergeben sich große Vorteile für Werbetreibende: Enorme Reichweiten, übergreifendes Frequency Capping, schnelle und selbstständige Anpassungen sowie die Nutzung von User-Daten. Gleichzeitig stellen sich auch diverse Herausforderungen. Um diese und die dazugehörigen Lösungen soll es in diesem Artikel gehen.

Technologische Fortschritte und Herausforderungen

Das Gebiet des Programmatic Advertising ist noch relativ jung, weswegen es dort viele und teilweise rasante Entwicklungen gibt.

DSPs (Demand-Side-Platforms) und SSPs (Supply-Side-Plattforms) überbieten sich in immer kürzeren Abständen mit neuen Funktionen. Es vergeht kaum eine Woche, in welcher keine neuen Funktionen vorgestellt werden. Doch auch wenn die Weiterentwicklung der Technologien wichtig ist und ein elementarer Bestandteil der Online-Branche, gibt es doch einige Problematiken, welche dabei seit Jahren mehr als stiefmütterlich behandelt werden.

Gleichzeitig trifft auch beim Programmatic Advertising die 80/20 Regel zu: Mit 20 Prozent der Funktionen verbringt man 80 Prozent der Zeit. Viele Funktionen sind für einzelne Benutzer gar völlig uninteressant, befinden sich jedoch an einer prominenten Stelle im User Interface. Eine stärkere Individualisierung des Interfaces, welche auf die Bedürfnisse des einzelnen Benutzers eingeht, wäre sicherlich sinnvoll. Zielführender wäre es, wenn die Funktionen ihrer tatsächlichen Relevanz entsprechend dargestellt dargestellt werden würden. Das würde zum einen die Ladezeiten der Interfaces verbessern, als auch den Prozess zum Anlegen von standarisierten Kampagnen verkürzen. Übersichtlichkeit und Usability sind nicht nur im Programmatic Advertising enorm wichtig für den Workflow.

Bewusst verschleiertes Inventar: (Semi)-Blind Traffic

Dies ist zwar kein technisches, sondern ein hausgemachtes Problem für Media Buyer. Viele Vermarkter möchten nicht, dass ihre Inventare mit Klarnamen in den DSPs und SSPs gesehen werden können. Stattdessen werden dafür kryptische Namen wie „agof29892034203“ übergeben. Mit diesem bewussten Schritt möchten die Vermarkter ihr Direktgeschäft schützen, denn sie befürchten, dass Media Buyer nachvollziehen können, zu welchen Preisen sie Traffic anderweitig einkaufen.

Allerdings zeigt die Realität, dass Media Buyer für die bessere, datengetriebene Aussteuerung ihrer Kampagnen auch bereit sind mehr zu zahlen. Mit einer durchdachten Strategie können Publisher also ihr Inventar auch im Programmatic Advertising sehr gut monetarisieren und somit höchstwahrscheinlich mehr und nicht – wie gemeinhin befürchtet – weniger Geld verdienen.

Diese Schutzmaßnahme ist inzwischen überflüssig geworden, denn oftmals wird die URL – beispielsweise durch den Einsatz eines weiteren AdServers – korrekt übergeben und es ist nachvollziehbar, welcher Traffic über die kryptischen Namen eingekauft wurde. Die Verschleierung des Inventars führt also nicht zu dessen Schutz, sondern lediglich zu Mehrarbeit auf Seiten des Media Buyers und gleichzeitig wird die bereits in der Kritik stehende Intransparenz im Programmatic Advertising weiter befeuert. Auch für den Publisher entstehen durch dieses Vorgehen direkte Nachteile. Auf intransparenten Traffic wird in der Regel ein geringeres Gebot (CPM) abgebeten, teilweise auch gar keins. Als Konsequenz daraus sinkt der eCPM und somit der Verdienst des Publishers.

Bei semi-blind Traffic hingegen werden Inventare in der Regel als Paket angeboten. Dies ist zwar auf der einen Seite legitim und verständlich, so gibt es zum Beispiel auch im klassischem Media Einkauf kategorisierte RoC-Buchungen (Run-On-Channel). In Zeiten von Real-Time-Bidding ist dieses Verfahren aber mehr als überholt.

Wie sollte mit verschleiertem Inventar umgegangen werden?

Zunächst einmal sollten die Vermarkter idealweise aufhören, ihre Referrer bewusst zu verschleiern, dadurch könnte sowohl Zeit als auch Geld gespart werden. Denn erfahrene Media Buyer bieten auf blind Inventar in der Praxis mit einem deutlich geringerem CPM. Dadurch kann zunächst die Performance des entsprechenden Inventars getestet werden. Wird dieser Test mehrfach innerhalb von kleinen Kampagnen durchgeführt, lässt sich für den Media-Buyer abschätzen, welche Qualität das Inventar hat.

Fraud-Traffic: Verschleierter Traffic

Ein weiterer Punkt, der Media Buyern das Arbeitsleben schwermacht, ist bewusst verschleierter Traffic. Vor allem Manga-, Erotik- und Streaming-Seiten werden in die SSPs eingespielt und unter falschen Namen verkauft. Nicht selten werden dabei große Portale als Referrer übergeben, obwohl die Werbeauslieferung auf anderen, unseriösen Seiten ausgesteuert wird. Dieses Vorgehen ist ein klarer Betrug.

Wie sollte mit verschleiertem Traffic umgegangen werden?

Um Fraud-Traffic zu vermeiden, sollte besonders die SSPs tätig werden und neue Publisher und Webseiten einer eingehenden Vorabprüfung unterziehen. Eine manuelle Überprüfung während des laufenden Betriebs ist jedoch nahezu unmöglich. Abhilfe könnte an dieser Stelle eine speziell entwickelte Technologie schaffen, welche dauerhaft und in unregelmäßigen Abständen Seiten aktiv absurft und analysiert, welche „Header“-Aufrufe stattfinden. Genauso hilfreich wäre eine Pre-Bid-Funktion, die vor jedem Gebot innerhalb einer Millisekunde die entsprechende Seite ansurft und die reale URL ausliest.

Teilweise wird dies bereits von Drittanbietern zu zusätzlichen TKP-Kosten angeboten. Wünschenswert wäre es jedoch, wenn die SSPs dies aus Eigeninteresse bereits im Vorfeld in einem höheren Maße integrieren würden.

Aber auch ohne diese Technologien umgehen Media Buyer diese Problematik zumindest teilweise, indem sie die Kampagnen über einen eigenen AdServer abwickeln und nicht direkt über einen SSP oder DSP. Idealerweise wird dabei mit White- und Blacklists gearbeitet. Somit können Kampagnen gezielt ausgesteuert werden: Nämlich an die Referrer, die ausgelesen werden konnten und als angemessen empfunden werden. Der Einkauf des Werbeplatzes wird so leider nicht verhindert – immerhin wird das Kundeninteresse, durch die „Nichtauslieferung des Werbemittels“ gewahrt. Wenn auf diese Weise eine betrügerische Absicht nachvollzogen werden kann, sollten zudem die Technologie-Anbieter darüber informiert werden.

Bot-Traffic

Bot-Traffic wird von Computerprogrammen und nicht von realen Menschen generiert. Solcher Traffic darf also nicht in die allgemeine Werbeleistung mit hinein gezählt werden, denn bei einem Computerprogramm existiert eine solche nicht. Dementsprechend werden Publisher für Leistungen vergütet, welche nicht erbracht wurden und Advertiser werden für diese fälschlicherweise zur Kasse gebeten.

Wie sollte mit Bot-Traffic umgegangen werden?

Der meiste Bot-Traffic wird nicht von Desktop-Computern, sondern von Servern generiert. Durch verschiedene Faktoren lässt sich dieser Traffic größtenteils analysieren und direkt blocken. Beispielsweise sollten die Internet-Service-Provider (ISP) gecheckt werden, kommt es dabei zu ungewöhnlich vielen Aufrufen von Rechenzentren und nicht den typischen Providern, wie Telekom, 1&1, Vodafone etc., ist von Bot-Traffic auszugehen. Auch das Betriebssystem kann einen entsprechenden Hinweis geben, zum Beispiel durch ungewöhnlich viele Aufrufe von Linux anstelle von Microsoft Windows oder macOS.

Jegliche verfügbare Informationen sollten abgerufen werden, nur so kann Bot-Traffic umgangen werden. Mithilfe von automatisierten Regeln und zusätzlichem manuellem Eingreifen können bestimmte ISPs und direkte Traffic-Quellen als Fraud- und Bot-Traffic gekennzeichnet und vor der Werbemittelauslieferung ausgefiltert werden.

Traffic im nicht sichtbaren Bereich

Zwischen 40 und 60 Prozent der Werbemittel werden im nicht sofort sichtbaren Bereich von Webseiten ausgesteuert. Dies ist grundsätzlich auch kein Problem, da die Werbemittel nach dem Scrollen dargestellt werden und oftmals gar eine bessere Beachtung haben als Werbemittel im sofort sichtbaren Bereich, da „typische“ Werbeplatzierungen von vielen Besuchern unbewusst nicht beachtet werden – Stichwort: Bannerblindheit.

Wichtig ist beim Programmatic Buying vor allem, dass beim Bid-Request die Platzierung „above the fold“ bzw. „below the fold“ übergeben wird.  Also, dass beachtet wird, ob die Werbung sich im sofort sichtbaren Bereich einer Webseite befindet, oder ob zunächst vom User gescrollt werden muss.

Eine tatsächlich betrügerische Masche ist der Aufruf von Ad-Tags in versteckten iFrames, denn dann ist es für den Besucher unmöglich, das Werbemittel zu sehen.

Leider lässt sich die Sichtbarkeit oftmals schwer verifizieren. Zwar gibt es inzwischen Methoden, um die Sichtbarkeit von Werbemitteln zu überprüfen, diese werden in der Praxis jedoch oftmals ausgehebelt. Bei der Werbemittel-Auslieferung sind in der Regel unterschiedliche AdServer involviert, diese wiederum arbeiten mit normalen iFrames. Ab einer gewissen Anzahl solcher Frames ist es nicht mehr möglich, das einzelne Werbemittel außerhalb des iFrames zu analysieren. Das führt dazu, dass eine gewisse Anzahl von Werbemitteln erst gar nicht auf Sichtbarkeit geprüft werden können.

Wie sollte mit Traffic im nicht sichtbaren Bereich umgegangen werden?

Die begrenzten Analysemöglichkeit der iFrames lassen sich, durch die Verwendung von safeframes umgehen. Safeframes bieten alle Vorteile der iFrames, darüber hinaus aber zudem die Möglichkeit für Werbetreibende die genaue Position des Werbemittels auf der Publisher-Webseite zu erfassen. Der safeframe würde – würde er überall zum Einsatz kommen – mehrere Probleme lösen. Auch die Analyse von anderen Fraud-Methoden könnte besser nachvollzogen und anschließend ausgeschlossen werden.

Bis zur umfassenden Nutzung der safeframes, lassen sich auch mit den iFrames einige Analysen zur Sichtbarkeit durchführen. Durch das Crawlen von Seiten, lassen sich automatisiert jegliche Seiten-Informationen inklusive Screenshot auslesen. Durch eine Mouse-Over-Analyse lässt sich zudem nachvollziehen, ob der User mit dem Mauscurser über das Werbemittel gegangen ist. Beides ist hilfreich für die Bewertung der Sichtbarkeit des Werbemittels.

Fraud-Klicks

Leider sind auch Fraud-Klicks im Programmatic Advertising ein Thema und zeigen sich auf unterschiedliche Weise. Obwohl beim Real-Time-Bidding ausschließlich auf CPM-Basis (Cost-per-Mille) eingekauft wird, ist es nicht selten, dass betrügerische Klicks in den Statistiken auftauchen. Dies kann verschiedene Gründe haben. So ist im Programmatic Buying auch der Zugriff auf das Google-Inventar, inklusive Adsense-Platzierungen, möglich. Problematisch hierbei ist, dass Adwords auf CPC- (Cost-per-Click) abrechnet werden und nicht auf CPM-Basis. Das bedeutet in der Praxis, dass auf CPM-Basis eingekauft wird, also basierend auf tatsächlichen Einbindungen des Werbemittels, und dann die Klicks abgerechnet werden. Davon profitieren die Publisher, da sie auf diese Weise doppelt vergütet und in der Click-Through-Rate bei Google zudem höher priorisiert werden.

Eine weitere Quelle für fehlerhafte Klicks können auch die internen CTR-Algorithmen der Demand-Side-Plattformen sein, wodurch das Inventar mit den betrügerischen Klicks bevorzugt behandelt wird. In manchen Fällen kommt es zudem vor, dass Wettbewerber sogenannte Klick-Bots an ihre Konkurrenz schicken, um diesen aktiv zu schaden.

Wie sollte mit Fraud-Klicks umgegangen werden?

Bevor mit dem Problem der Fraud-Klicks umgegangen werden kann, müssen diese zunächst einmal erkannt werden. Um diese zu erkennen, sollte wie bei anderen betrügerischen Methoden – wie dem Bot-Traffic –, eine Analyse der Internet-Service-Provider und der Operations-Systems durchgeführt werden. Kommt es dabei zu irgendwelchen Auffälligkeiten, ist das ein klares Indiz für Fraud-Traffic. Anders als bei der Analyse zum Bot-Traffic, sollte zudem die Click-Through-Rate auf User- und Referrer-Ebene näher betrachtet werden.

Idealerweise wird der Traffic vom Media Buyer live mit einem bestimmten Algorithmus analysiert und nach bestimmten Regeln direkt gefiltert.

Programmatic Advertising ist keine Sammelstelle für Restplatzinventar

Oftmals wird Programmatic Advertising noch zu oft als Restplatzinventar bezeichnet und wahrgenommen. Dies ist aber nicht der Fall, auch trotz der hier beschriebenen Problematiken nicht. Die Zeiten in denen Publisher nur ihr überschüssiges Inventar den SSPs zur Verfügung gestellt haben ist seit Jahren vorbei. Schon lange kann über Real-Time-Bidding nicht nur auf das schlechtere und günstigere Inventar zugegriffen werden, sondern auch auf das ganz normale, welches von den Publishern direkt angeboten wird.

Neue Trends, wie das Header-Bidding, ermöglichen sogar die gleichberechtigte Behandlung von RTB-Geboten und Direkt-Platzierungen. Ist das programmatische Gebot höher als der im Direct Sales vereinbarte CPM, gewinnt auch hier das höhere Bid. Zudem können auch im programmatischen Ökosystem mithilfe von Private-Deals mit Vermarktern oder auch einzelnen Webseiten feste Volumen (Automated Guaranteed), Festpreise und vieles mehr besprochen werden.

Gleichzeitig werden über Programmatic Advertising auch Sonderwerbemittelformate, Videos oder Native-Ads angeboten. Die Zeit, wo nur die gängigsten UAP-Formate zur Verfügung standen ist ebenfalls vorbei. In Zukunft werden noch diverse weitere Formate programmatisch zur Verfügung stehen, bspw. TV-Werbung und Plakate.

Ein weiterer großer Vorteil sind diverse Zusatzfunktionen, welche oftmals von externen Dienstleistern direkt über die DSP genutzt werden können, wie das gezielte Targeting nach spezifischen Nutzergruppen. Vor allem Daten – welche für das datengetriebene Einbuchen natürlich ein enormer Vorteil sind – können direkt über die DSP dazu gebucht werden.

Fazit

Der Programmatische Einkauf bietet viele Möglichkeiten und Vorteile gegenüber klassischen Buchungen. Die Zeiten in denen Programmatic Advertising das Restplatzinventar der Publisher abbildete sind vorbei. Mittlerweile können vor allem durch Direct Deals und Automated Guaranteed Kampagnen genauso abgebildet werden wie durch Direktbuchungen. Besonders das reichhaltige Inventar, das Zusammenspiel von Daten sowie die Flexibilität schnell reagieren zu können sind große Vorteile des Programmatischen Einkaufes. Auf einigen Ebenen sollte sich wieder mehr auf die Grundfunktionen konzentriert werden, vor allem in Bezug auf die Usability wären Änderungen sinnvoll, damit die Tools wieder besser genutzt werden können.

Zwar gibt es im Programmatic Buying einige Herausforderungen – (Semi-) Blind Traffic, Fraud Traffic, Bot Traffic, Traffic im nicht sichtbaren Bereich und Fraud Klicks – doch gibt es Mittel und Wege mit diesen umzugehen. Die Vorteile und Möglichkeiten des Programmtischen Einkaufes übersteigen diese um Längen.

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